eSport: So funktioniert das Ecosystem | SPONSORs

2022-09-16 17:35:31 By : Admin

Der eSport etabliert sich immer mehr im Sportbusiness, 2019 wird global erstmals ein Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro erzielt. Je mehr Geld im eSport bewegt wird, desto mehr drängen sich auch Fragen nach der Geldverteilung unter den Marktteilnehmern auf. Ein Einblick in die Geldströme des eSport-Ecosystems.

Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Der Titel von Richard David Prechts philosophischem Werk ist allseits bekannt. Prechts Ausführungen handeln von der unüberschaubaren Fülle des Wissens über den Menschen. Ähnlich diffus und schwer greifbar erscheint vielen Teilnehmern der Sportbusiness-Branche die Welt des eSports.

Starten wir, um Licht ins Dunkel zu bringen, mit einigen Zahlen zum globalen eSport-Markt als Grundlage:

Was bedeuten all die genannten Zahlen nun für die Geschäftsmodelle der einzelnen Marktteilnehmer im eSport-Ecosystem? Wer profitiert in welcher Höhe von den Investitionen in den eSport, die vor allem durch Medien und Sponsoren geleistet werden? Und wie stehen die einzelnen Marktteilnehmer wie Spieler, Teams, Turnierveranstalter und Publisher zueinander?

So etwas wie das Herzstück des Systems im eSport sind die Publisher. Mit der Entwicklung und der Veröffentlichung von Spielen bilden sie die Basis für das gesamte Business der Gaming- und eSport-Branche. Das heißt auch: Alle anderen Marktteilnehmer hängen von den Publishern ab. Im schematischen SPONSORs-Strukturmodell zum eSport-Ecosystem stehen sie daher an exponierter Stelle.

SPONSORs hat ein Strukturmodell entworfen, das grundlegende Geldströme und Abhängigkeiten zwischen Marktteilnehmern abbildet. Klicken Sie hier, um die vollständige Grafik abzurufen.

Die Publisher Activision Blizzard, Riot Games und Valve sind mit ihren seit vielen Jahren erfolgreichen und renommierten Spieltiteln im eSport die drei größten Wettbewerber. Was aber keineswegs heißt, dass sie die gleichen Geschäftsmodelle verfolgen. Ein Kurzabriss:

Neben Valve, Riot Games und Activision Blizzard gibt es noch viele aufstrebende Publisher, zum Beispiel den auf Mobile-Gaming spezialisierten und erst 2010 gegründeten Anbieter Supercell oder den bereits 1991 ins Leben gerufenen Publisher Epic Games, der in den vergangenen Jahren mit dem Spiel Fortnite weltweites Renommee erlangte.

Eine Sonderrolle im Publisher-Markt hat Tencent. Der chinesische Digitalkonzern besitzt seit Anfang 2016 nicht nur Riot Games, sondern ist darüber hinaus auch seit Juli 2013 mit zwölf Prozent an Activision Blizzard sowie in verschiedenen Größenordnungen an weiteren namhaften Publishern in der eSport- und Gaming-Szene beteiligt.

Die Publisher sind das Herzstück im Ecosystem des eSports. SPONSORs hat eine große Übersicht ausgewählter Publisher mit detaillierten Infos über die einzelnen Unternehmen  zusammengestellt. Klicken Sie hier, um die vollständige Grafik abzurufen.

Nicht nur im übergeordneten Geschäftsmodell, sondern auch im eSport-Business unterscheiden sich die Strategien der Publisher mitunter deutlich. Ganz allgemein formuliert können Publisher im eSport auf zwei verschiedenen Wegen agieren: Entweder entscheiden sie sich für ein geschlossenes System – wie es teilweise im nordamerikanischen Sport mit seinen Franchise-Ligen der Fall ist. Oder sie wählen einen offeneren Ansatz, indem sie Rechte zur Umsetzung von eSport-Events mit einem Spiel zum Teil auch aus der Hand geben.

Der FC Schalke 04 bezahlt acht Millionen Euro für eine Franchise-Lizenz für das Spiel „League of Legends“ – ein beispielloses Investment eines Fußballclubs im eSport. Wie kann sich das Investment für den Fußballbundesligisten rechnen? Ein Einblick in das eSport-Geschäftsmodell des FC Schalke 04.

Das aktuellste und in Europa renommierteste Beispiel für ein geschlossenes System ist die sogenannte „League of Legends European Championship“ (LEC). In der 2019 gestarteten Franchise-ähnlichen Liga gibt es einen eigenen Geldkreislauf: Die zehn teilnehmenden Teams bezahlen Lizenzgebühren in Millionenhöhe an Riot Games und werden im Gegenzug anteilig an den Erlösen der zentral verkauften Marketing- und Medienrechte beteiligt.

Die zentralen Vermarktungseinnahmen von eSport-Ligen wie der LEC stammen hauptsächlich aus dem Sponsoring. Aus dem Bereich Medienrechte werden dagegen – wie häufig im eSport – noch keine signifikanten Erlöse erzielt.

Beim Abschluss mit Medienunternehmen geht es vielen Publishern zunächst darum, möglichst hohe Reichweiten für ihre Produkte zu erzielen. Die Übertragungsrechte werden dementsprechend momentan oft auch non-exklusiv vergeben, zum Beispiel sowohl an die Amazon-Plattform Twitch als auch an Youtube. Für diese Vorgehensweise gibt es zwei Gründe: Zum einen geht es darum, die Reichweite zu erhöhen und damit für Gespräche mit interessierten Unternehmen bessere Argumente hinsichtlich der Sponsoringvermarktung zu schaffen. Zum anderen dient das Vorgehen als Marketinginstrument gegenüber Millionen von Gamern zu Hause. Über die eSport-Übertragungen können diese nämlich gezielt zum Beispiel auf neue Spielfiguren aufmerksam gemacht werden, die sie sich für ihr eigenes Spiel am Rechner kaufen können. Zur Erinnerung: Die Einnahmen über solche Mikro-Payments liegen beim Spiel „League of Legends“ bei jährlich über zwei Milliarden US-Dollar.

Der Riot-Games-Wettbewerber Activision Blizzard verfolgt mit seiner Ende 2016 gegründeten „Overwatch League“ (OWL) ebenfalls einen geschlossenen Liga-Ansatz. Allerdings ist das aus dem US-Sport bekannte Franchise-Prinzip hier noch intensiver ausgeprägt. Das heißt, die Teams sind lokal gebunden und müssen das beispielsweise auch über ihren Namen zum Ausdruck bringen. Die 20 OWL-Teams sind unter anderem in Asien und den USA beheimatet, während aus Europa die beiden Franchise-Nehmer London Spitfire und Paris Eternal am Start sind.

Die Kosten für eine OWL-Franchise-Lizenz lagen bei rund 20 bis 25 Millionen Euro pro Team – und damit deutlich über den 8 bis 10,5 Millionen Euro, die Riot Games 2018 für die Premierensaison der LEC aufgerufen hatte. Die OWL-Teams erhalten im Gegenzug ein jährliches Mindestgehalt, einen Teil der Gewinne und Umsatzbeteiligungen basierend auf der sportlichen Leistung.

Im Gegensatz zur LEC von Riot Games oder der OWL von Activision Blizzard zählt Valve zu den Publishern, die im eSport auf offene Systeme setzen. Das heißt: Valve richtet die Events und Ligen seiner Spiele in der Regel nicht in Eigenregie aus. Die Ausnahme sind Flaggschiff-Veranstaltungen wie das „Dota 2“-Turnier „The International“. Stattdessen vergibt der Publisher entsprechende Lizenzen an sogenannte „Third Party“-Anbieter. Diese Drittparteien haben dann das Recht, mit den jeweiligen Spielen eines Publishers Ligen und Events im eSport zu veranstalten.

Der weltweit bekannteste und größte Turnier- und Liga-Veranstalter ist die in Köln ansässige ESL. Das 2000 gegründete Unternehmen hat neben der Deutschland-Zentrale sieben internationale Büros – unter anderem in Australien, China und Nordamerika. Die ESL beschäftigt über 500 Mitarbeiter und veranstaltet weltweit eSport-Events in mehr als 50 Spielen.

Im achtköpfigen Führungsteam der ESL sitzen neben CEO und Gründer Ralf Reichert mittlerweile namhafte Manager, die nicht originär aus dem eSport-Business stammen, zum Beispiel Chief Marketing Officer Rodrigo Samwell, der zuvor Marketingchef der Vodafone Group war. Seit Ende 2018 gehört außerdem Thomas Schmidt als Chief Commercial Officer zur ESL, der ehemalige Geschäftsführer des UEFA-Vermarkters Team Marketing.

Die ESL wird von der Firma Turtle Entertainment betrieben, die wiederum zum Großteil dem schwedischen Medienkonzern Modern Times Group (MTG) gehört. Erst im Oktober 2018 erhöhte MTG seine Anteile an Turtle Entertainment um 8,44 Prozentpunkte auf 82,48 Prozent. Nach eigenen Angaben ließ sich MTG die Aufstockung der Anteile 14,3 Millionen Euro kosten. Zuvor hatte der Konzern im Juli 2015 für 78 Millionen Euro die Mehrheitsanteile von Turtle Entertainment erworben.

Die ESL ist übergeordnet als eine Art Erschaffer von vertikalen Ecosystemen zu sehen. Das Unternehmen arbeitet dabei direkt oder indirekt mit allen Marktteilnehmern – also Publishern, Spielern und Teams – zusammen, um eine möglichst große Wertschöpfung zu erzielen.

Im Wettbewerb der „Third Party“-Veranstalter ist die ESL mit ihrem ganzheitlichen Ansatz auf globaler Ebene der Platzhirsch. Daneben gibt es Anbieter, die mit der ESL in verschiedenen Märkten oder Geschäftszweigen konkurrieren. Dazu zählen beispielsweise die US-amerikanische Eleague, das zu 46 Prozent zu Activision Blizzard gehörende Unternehmen Major League Gaming (MLG) oder europäische „Third Party“-Veranstalter wie Face It aus London.

„Third Party“-Veranstalter wie die ESL bauen nicht nur ganzheitliche Ecosysteme, sondern richten auch singuläre Events aus. Auf manchen wie der alljährlichen „Counter-Strike“-Veranstaltung „ESL One“ in der Kölner Lanxess-Arena wird nur ein Spiel eines Publishers gespielt. Auf anderen werden mehrere Spieletitel von diversen Publishern geboten. Zu diesen Events zählt beispielsweise das „Intel Extreme Masters“ (IEM). Bei der diesjährigen Ausgabe im polnischen Kattowitz duellierten sich eSportler unter anderem in den Spielen „Dota 2“ und „Counter-Strike“ (Publisher: jeweils Valve) sowie „Star Craft II“ (Activision Blizzard) und „Fortnite“ von Epic Games.

Nicht immer setzen „Third Party“-Anbieter ein Event ganzheitlich um. Die ESL übernimmt genau wie viele ihrer Wettbewerber für Publisher auch einzelne Service-Leistungen im Rahmen von eSport-Veranstaltungen, ohne dass zum Beispiel die ESL nach außen mit ihrer Marke in Erscheinung tritt. Zu diesen Dienstleistungen zählen unter anderem die technische Produktion oder das Event-Management eines eSport-Turniers.

Neben den beschriebenen Event-Umsetzungen richten „Third Party“-Veranstalter mit den Rechten für Spiele der Publisher auch ganze eSport-Ligen aus. Allein die ESL organisiert 2019 beispielsweise von Afrika über Indonesien bis zur Türkei 22 nationale Spielklassen in rund zehn verschiedenen Spielen wie „Clash Royale“, „Dota 2“ und „Hearthstone“. Hierzulande richtet das Kölner Unternehmen die Deutschen Meisterschaften in den Spielen „Counter-Strike“, „League of Legends“ und „Player Unknown‘s Battlegrounds“ aus.

Je nach Publisher, Spiel und Rechtelage variieren die Refinanzierungsmöglichkeiten der „Third Party“-Anbieter. Der exemplarische Umsatzmix der ESL lässt sich ganz grob in vier Bereiche aufteilen: Jeweils rund 30 Prozent entfallen auf Lizenz- und Dienstleistungsgeschäfte mit Publishern sowie Sponsoring. Und jeweils etwa 20 Prozent werden über Medienrechte sowie das B2C-Geschäft wie unter anderem Ticketing und Merchandising eingenommen.    

In der eSport-Vermarktung stehen „Third Party“-Veranstalter wie die ESL mit ihrer Positionierung auf einer breiten Basis. Ihre Plattformen und Ecosysteme sind vor allem für werbetreibende Unternehmen interessant, die erstmals in Kontakt mit der eSport-Welt treten und sich bei ihrer Positionierung noch nicht so sicher sind. Hierzulande wählten seit 2017 beispielsweise namhafte Marken wie die Deutsche Post DHL Group, McDonald’s und Mercedes-Benz verschiedene Event-Plattformen der ESL für ihren Erstaufschlag im eSport-Sponsoring.

Genau wie für die „Third Party“-Veranstalter ist die Sponsoringvermarktung auch für eSport-Clans ein enorm wichtiger Umsatztreiber. Im Durchschnitt entfallen rund 75 Prozent der gesamten Einnahmen eines Clans auf die Säule Sponsoring. Und spätestens seit dem Einstieg von Vodafone als Hauptsponsor des Clans Mousesports im Jahr 2017 sowie den Investments der Deutschen Telekom (2018) und Mercedes-Benz (2019) bei SK Gaming ist klar, dass die werbetreibende Industrie auch deutsche eSport-Teams als relevante Werbeplattform erachtet.

Die Clans müssen sich für eine erfolgreiche Sponsoringvermarktung allerdings gut überlegen, in welchen Spielen sie Teams an den Start bringen wollen. Insbesondere im deutschsprachigen Markt gibt es nämlich aufseiten der Industrie beispielsweise noch viele Vorbehalte gegenüber First-Person-Shootern wie „Counter-Strike“. So kommt selbst für Unternehmen wie die Deutsche Telekom, die DHL, McDonald’s und SAP, die bereits umfangreich in sportfremden Spielen wie „Dota 2“ oder „League of Legends“ werben, ein „Counter-Strike“-Engagement nach wie vor nicht infrage. Sponsoringaktivitäten wie die von Vodafone beim Clan Mousesports, der im eSport hauptsächlich für sein seit vielen Jahren erfolgreiches „Counter-Strike“-Team bekannt ist, sind hierzulande also nach wie vor eher die Ausnahme, wobei viele Marktteilnehmer in der eSport-Branche eine grundsätzlich offenere Haltung in Deutschland gegenüber altersbeschränkten Titeln prognostizieren und dementsprechend davon ausgehen, dass Spiele wie „Counter-Strike“ in den kommenden drei bis fünf Jahren für Marken mehrheitlich kein Tabu mehr sein werden.

Über die Sponsoringvermarktung hinaus kommen die übrigen, vergleichsweise geringen Einnahmen der Clans unter anderem aus den folgenden Bereichen: Merchandising, Antrittsgelder für eSport-Events sowie abhängig von Spieltitel und Publisher aus den Beteiligungen an den bereits beschriebenen Verkäufen virtueller Produkte.

Dagegen sind für deutsche und europäische Clans signifikante Einnahmen durch Rechte-Verträge mit den US-amerikanischen Medienplattformen Twitch und Youtube eher die Ausnahme – aus dem einfachen Grund, weil den beiden Platzhirschen unter den Gaming- und eSport-Medien ihr nordamerikanischer Heimatmarkt schlichtweg wichtiger ist und sie deshalb eher in den USA investitionsbereit sind.

Genauso wenig wie aus Medienrechte-Verträgen verdienen die Clans am Preisgeld, das ihre eSportler erspielen. Es wird zwar vom jeweiligen Turnier- oder Liga-Veranstalter an die Teams ausgeschüttet, von diesen aber in der Regel direkt an die Spieler weitergegeben.

Der starke Fokus auf die Sponsoringeinnahmen führt viele europäische Clans in rote Zahlen. Denn: Die Höhe der Sponsoringeinnahmen reicht bei sportlich ambitionierten Teams bei Weitem noch nicht aus, um die mitunter sehr hohen Kosten für Top-Spieler in den wichtigsten eSport-Titeln (sogenannte „Tier One“-Spiele wie „Counter-Strike“, „Dota 2“ und „League of Legends“) zu decken.

Eine vereinfachte Beispielrechnung: Ein guter eSportler in einem „Tier One“-Spiel kostet in Europa circa 20 000 Euro brutto pro Monat, Top-Spieler sogar rund 40 000 bis 60 000 Euro. Für ein Team werden fünf Spieler benötigt. Das heißt: In einem Monat fallen Gehaltskosten für die Spieler in Höhe von mindestens rund 100 000 Euro an, auf ein Jahr gerechnet sind das also 1,2 Millionen Euro. Hinzu kommen Personalkosten für Analysten, Psychologen, Team-Manager und Trainer. Bei einem „Tier One“-Spiel beschäftigt ein Clan in Summe circa 15 Personen. Die Gesamtkosten inklusive Infrastruktur und Trainingseinrichtung belaufen sich auf 2 bis 2,5 Millionen Euro per annum. Wer oben mitspielen will, muss mindestens diese budgetäre Größenordnung einplanen.

Die Folge ist, dass 90 Prozent der Clans ihre Budgets nur mithilfe von Investorengeldern stemmen können – und nicht durch ihre natürlichen Einnahmen. Die Hoffnung ruht jedoch darauf, dass die positiven Marktprognosen sich bewahrheiten und die Clans somit perspektivisch mit höheren Umsätzen planen können.

Ob nun „Third Party“-Veranstalter, Teams oder Spieler: Alle Marktteilnehmer wollen in der wachsenden eSport-Branche ihr Stück des Kuchens abbekommen. Neben der zunehmenden Professionalisierung im Bereich der Vermarktung arbeiten die eSport-Organisationen auch daran, zukunftsfähige Strukturen zu schaffen. Das Ziel: die Macht gegenüber den vergleichsweise einflussreichen Publishern bündeln.   

Ein Versuch, die Teilnehmer des weltweit fragmentierten eSport-Markts mit ihren zum Teil unterschiedlichen Strategien unter einem Dach zu vereinen, war und ist die Gründung von international agierenden eSport-Verbänden. Der bisher wichtigste Verband ist die World eSports Association (WESA), die 2016 von acht Teams und der ESL gegründet wurde. In den vergangenen drei Jahren konnte die WESA fünf weitere Teams hinzugewinnen. Aktuell zählen die beiden deutschen Clans Mousesports und SK Gaming zu den WESA-Mitgliedern sowie ursprünglich aus den USA stammende Teams wie Faze Clan, Optic Gaming, Renegades, Splyce und Team Envy.

Es gibt ein Manko, an dem die WESA nach wie vor arbeitet: Bisher ist noch kein Publisher Mitglied des Verbands. Allerdings steht die WESA hier nach SPONSORS-Informationen kurz vor einem Durchbruch: Noch im Jahr 2019 könnten erstmals Publisher zu Mitgliedern des Verbands werden.

Wie aber funktioniert die WESA konkret?

Um den geschäftlichen Ansatz der WESA zu verstehen, ist es zunächst wichtig zu wissen, dass die WESA kein Interessenverband wie beispielsweise die International eSport Federation (IEF) oder der eSport-Bund Deutschland (ESBD) ist. Sie ist vielmehr als Verwaltungs- und Vermarktungsorgan zu sehen, das ähnliche Aufgaben wie Verbände im klassischen Sport übernimmt. Vergleichbar ist die WESA damit etwa mit der Europäischen Fußball-Union (UEFA), mit dem entscheidenden Unterschied jedoch, dass die WESA eine Vielzahl von Sportarten beziehungsweise eSport-Spielen in ihrem Portfolio bedient – und nicht „nur“ den Fußball wie die UEFA. Die WESA bildet in ihrem Konstrukt sogenannte „Sub-Kommissionen“ für die einzelnen eSport-Titel.

Die WESA will für ihre Mitglieder schwerpunktmäßig konkret drei Aufgabenbereiche abdecken:

Im Eintrag des Schweizer Handelsregisters steht zum Zweck der in Zug sitzenden WESA zudem unter anderem, dass die WESA die „sportlichen und wirtschaftlichen Interessen der Teams, die Mitglied des Vereins sind, als Gemeinschaft gegenüber Marketingpartnern“ bündeln will. Zudem ist es das Ziel, dass in Zukunft die Interessen der eSportler stärker repräsentiert werden und standardisierte Regularien entstehen, beispielsweise für Transfers von Spielern.

Für die Praxis heißt das konkret: Die WESA hat das Ziel, Geschäftsmodelle zu entwickeln, bei denen alle Marktteilnehmer angemessen profitieren: Den Publishern sollen herausfordernde Themen wie die rechtliche Regulierung abgenommen werden. Turnierveranstalter können sich als Dienstleister positionieren. Und Teams haben die Chance, beispielsweise an Merchandising- und Ticketing-Umsätzen beteiligt zu werden.

Für die operative Umsetzung der Themen hat die WESA eine eigene Tochter installiert, die WESA Agency, die am Standort Köln mittlerweile ein 15-köpfiges Team beschäftigt. Um in der Analogie zum klassischen Sport zu bleiben: Die WESA Agency ist so etwas wie die Agentur Team Marketing für die UEFA, die als exklusiver Dienstleister des Verbands die Club-Wettbewerbe vermarktet.

Dass sich die WESA in ihrer Struktur und Aufgabenstellung an Sportverbänden aus dem traditionellen Sport orientiert, hat auch Folgen für die personelle Konstellation des Verbands. So gehört dem WESA-Vorstand unter anderem Jan Pommer an, der von Januar 2017 bis Ende 2018 Director Team & Federation Relations bei der ESL war. Vor seiner Zeit bei der ESL war der studierte Jurist von September 2015 bis Sommer 2016 Geschäftsführer der Deutschen Sport Marketing (DSM), dem Vermarkter des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Davor fungierte Pommer von 2005 bis 2015 zehn Jahre als Geschäftsführer der Easycredit Basketball Bundesliga (BBL) und saß während dieser Zeit auch im Aufsichtsrat der Turkish Airlines Euroleague.

Neben Pommer gibt es seit März 2019 in Lucas Rachow einen weiteren WESA-Mitarbeiter mit Erfahrung und Wissen aus dem klassischen Sportverbandswesen. Der 31-Jährige wechselte aus der Marketingabteilung des Fußball-Weltverbands (FIFA) zum eSport-Verband. Zu Rachows Aufgaben als Vice President Operations der WESA zählen die Professionalisierung und die Weiterentwicklung der Strukturen. Er berichtet an den Executive Chairman und Commissioner der WESA, der ebenfalls nicht originär aus der eSport-Szene kommt: Pietro Fringuelli, Partner bei der Kanzlei CMS und Head der CMS Media Group. Der Jurist berät seit vielen Jahren namhafte Sportrechtehalter und Medien aus dem klassischen Sportbusiness in rechtlichen Fragen.

Man darf gespannt sein, ob sich nach Fringuelli, Pommer und Rachow weitere Entscheider aus dem klassischen Sportbusiness der WESA anschließen werden. Sicher dürfte jedenfalls schon jetzt sein, dass die WESA und ihre Vermarktungstochter in den kommenden Jahren personell weiterwachsen werden, sobald sich weitere Mitglieder wie Publisher dem Verband anschließen.

Der eSport-Markt findet langsam, aber sicher zu mehr Struktur. Allerdings ist noch nicht abzusehen, wie sich die Machtverhältnisse in den kommenden Jahren entwickeln werden. Dabei wird es vor allem interessant zu beobachten sein, inwiefern die allseits prognostizierten Mehrumsätze die Handlungen der einzelnen Marktteilnehmer verändern werden.

Es gibt viele offene Fragen: Wann sind auch Medienunternehmen dazu bereit, nennenswert in eSport-Übertragungsrechte zu investieren? Werden sich die geschlossenen Liga-Modelle der Publisher auf Dauer durchsetzen und Riot Games und Co. dadurch künftig noch mächtiger? Oder könnten die eSport-Teams analog zu den europäischen Top-Clubs im Profifußball in der Zukunft des eSport zu den treibenden Kräften avancieren?

Konkrete Antworten wird die Zeit bringen. Fest steht dagegen schon jetzt, dass Publisher, Spieler und Teams in den kommenden Jahren große Verteilungskämpfe austragen werden.